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Der Fall des Menschen

  • Writer: Annabell S.
    Annabell S.
  • Feb 21, 2024
  • 9 min read

Updated: Apr 28

Genesis 2, 15–17

Gott, der Herr, nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden […], Dann gebot Gott, der Herr, dem Menschen: Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen, denn sobald du davon isst, wirst du sterben.“


Adam lebte umgeben von einer Fülle an Schönheit und Gutem, umgeben von der heiligen Mannigfaltigkeit des Herren. Er war geschaffen nach seinem Ebenbild und durchschritt Wiesen und Wälder des Gartens mit einem so tiefen Gefühl der Liebe für die Dinge, als hätte er sie selbst geschaffen. Ebenso sehr wollte er sie pflegen und behüten und fand sich erfreut über die Aufgabe, die ihm Gott stellte, ein jedes Ding, das Adam im Garten sah, zu benennen. Fortwährend würde er nun die Tage damit verbringen, durch Eden zu streifen und allem Sichtbaren einen Namen zu geben. Doch als die Nacht hereinbrach, denn Tage und Nächte waren bereits lange vor Adam geschaffen und er musste sich der Gewalt dieser alten Dinge fügen, befiel ihn ein Gefühl, das er sich nicht recht erklären konnte. Adam erwachte stets inmitten von grünen Bäumen, die immer reife Früchte trugen, inmitten von blühenden Blumen, die in einem lauen Wind ihre Köpfe neigten. Er erwachte zum Gesang verschiedenster Vögel und zum Plätschern der klarsten Quellen. Und doch – als er sah, wie alles Tier, was er einst benannt hatte, in Rudeln und Scharen und Paaren lebte, da fand er heraus, dass das Gefühl, das ihn nächtelang geplagt hatte, ein Gefühl des Fehlens war, des Missens.

Als Gott der Herr Adams Leid bemerkte, sprach er: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht.“ Und als Adam des Nachts dann der Schlaf überkam, griff Gott in ihm nach einer Rippe und formte aus ihr einen Gefährten.

Der Mensch, dem Adam am nächsten Tag begegnete, war eine unverhoffte Überraschung und faszinierte ihn. Noch kein anderes Wesen im Garten hatte ihm so ähnlich gesehen und dafür war Adam dem Herren dankbar. Er wusste, dass er fortan nichts mehr missen müsste. Und weil Adam so entzückt war von dieser neuen Gestalt, vergaß er sich in seiner Freude und dachte nicht daran, ihr einen Namen zu geben. „Ich bin wie du“, sagte der Mensch, „Und doch auch anders. Siehst du mich, Adam?“ Und Adam erschrak. Er sah an sich hinunter und musterte den Körper, den Gott ihm gegeben hatte, und daraufhin auch den, der vor ihm stand und der aus seiner Rippe geformt war. „Ich sehe dich“, sprach Adam, „Du bist schön.“, und der Mensch lächelte und Adam sah sich selbst darin, doch konnte er nicht aufhören, sich zu wundern. „Alle Dinge, die Gott erschafft, sind schön, aber irgendetwas macht dich anders.“, „Als Gott mich schuf, sprach er zu mir, ich sei sein Ebenbild. Hast du ihn je gesehen? Er schuf mich, sagte er, um die Einsamkeit zu heilen, die der verspürt, der bereits in Eden weilt. ‚Er sieht dir ähnlich‘, sprach er, ‚und ihr ähnelt mir. Euch gilt mein Wohlwollen in diesem Garten.‘“, „All das erzählte er dir?“, fragte Adam und der Mensch nickte. „Ich habe Gott nie gesehen, wie ich dich jetzt vor mir sehe“, gestand er, „Aber als er mich durch den Garten führte, da spürte ich ihn an meiner Seite. Wir kamen zu einer Quelle und er sprach, von ihr solle ich trinken, wenn ich durstig bin, da blickte ich in das Wasser und sah mich selbst auf seiner Oberfläche – Gott sprach: Das bin ich und so bist du. Und weil ich nun wusste, wer er war, wusste ich, wer ich bin. Nur eins gebot er mir an diesem Tag: Ich dürfe alle Früchte kosten, die in diesem Garten wachsen, nur vom großen in seiner Mitte dürfe ich nicht essen, denn das sei mein Ende. Auch du darfst nicht nach seinen Früchten greifen, sonst werde ich wieder einsam sein“, ermahnte Adam den Menschen. Und der Mensch nickte und sprach: „Auch mich hat Gott vor jenem Baum gewarnt. Ich will gehorchen.“


So konnten die Menschen nun ihre Zweisamkeit genießen, so wie alle anderen Wesen Edens. Und zu ihrer Überraschung fanden sie immer wieder neues Getier, als sie dachten, sie würden die Vielfalt des Gartens bereits bis zum letzten Käfer kennen. Und die Menschen freuten sich über ihre Entdeckungen und gaben ihnen von nun an gemeinsam Namen. Sie drangen gemeinsam in die Tiefen des Gartens vor, wo noch fremde Früchte wuchsen, die die schönsten Formen hatten und die süßesten Düfte verströmten. Adam brach eine Frucht entzwei, die die Farbe der Abendröte hatte, und reichte sie dem anderen Menschen. „Koste!“, sprach er, „Diese hat besonders süßen Saft.“, jener lief Adam sogleich über die Finger, als er dem Menschen ein Stück reichte. „Sie ist weich“, sagte der Mensch und aß. „Wie willst du sie nennen?“, er griff nach einem zweiten Stück, „Ich dachte an O…“, „Orange!“, rief der Mensch und Adam lachte und wiederholte „Orange!“. Und beide freuten sich über die neue Frucht. Doch im Schatten des Baumes, von dem sie aßen, sah der Mensch, wie sich etwas bewegte. „Dort!“, sprach er, „Ich weiß nicht, was das war, ich will ihm folgen!“, Adam war einverstanden und beide hielten Ausschau nach der mysteriösen Kreatur. Sie liefen noch viel tiefer in den Garten hinein, als sie an einem riesigen Baum angelangten, der auf einer großen Wiese stand. Seine Äste und Zweige hingen schwer bis zum Erdboden hinab. An ihnen wuchsen unzählige Blätter in einer Form, die sie noch nicht kannten, und zwischen ihnen fanden sie Früchte, die keinen glichen, von denen sie je gekostet hatten.

„Könnte dies der Baum sein, von dem wir nicht essen dürfen?“, fragte der Mensch und Adam nickte, „Das ist der Baum, vor dem uns Gott warnte, der mit der verbotenen Frucht.“ „Der Frucht der Erkenntnis“, zischte es zwischen den Zweigen. „Bist du es, Gott?“, fragte der Mensch und die Blätter des Baumes rauschten, wie von einem starken Wind bewegt.

Gott weiß mehr als ihr“, sprach die Stimme,

Und Gott weiß mehr als ich und doch kenne ich sein Geheimnis.“,

„Was ist ein Geheimnis?“, fragten die Menschen.

Wie töricht ihr seid. Verbot euch Gott, von den Früchten des Gartens zu essen?“, fragte die Stimme und Adam antwortete „Nur von diesem hier.“,

„Wir werden sterben, wenn wir von ihm essen“,

Nein, ihr werdet nicht sterben“ , sprach die Stimme.

„Weshalb sonst hätte Gott uns seine Früchte verboten?“, fragte der Mensch.

und die Stimme antwortete: „Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse.“,

„Das verstehe ich nicht“, sagte der Mensch,

Ihr werdet verstehen, wenn ihr esst“, zischte die Stimme.

Und die Neugierde des Menschen war geweckt und er griff nach einer Frucht. Adam aber sprach: „Tu das nicht! Wenn ich nun wieder einsam werden muss …“, „Du hörtest doch, wir werden nicht sterben“, sprach der Mensch und biss frohen Mutes, von seiner Neugier überwältigt, in die Frucht. Seine Augen leuchteten auf und er sprach: „Adam, iss! Iss! So etwas habe ich noch nie geschmeckt!“, Adam dachte über die Worte nach. Er hielt den Menschen nicht davon ab zu essen, da dieser die Süße der Frucht zu genießen schien. Auch er wagte von ihr zu kosten, als er sah, dass der Mensch nicht daran sterben würde. So durchströmte der Saft der Frucht allmählich ihre Körper.

Sie erkannten, dass sie nackt waren. Und sie schämten sich nicht.


„Das also tut die verbotene Frucht?“, sprach der Mensch, „Ich verstehe nun, dass wir anders sind, Adam. Was aber sollen wir deshalb tun?“, Adam überlegte lang und antwortete schließlich „Ich spüre nicht mehr, dass sich verändert haben könnte. Was wird Gott nun tun, da wir sein Gebot missachtet haben?“. Bevor einer von ihnen eine Antwort auf diese Frage finden konnte, vernahmen sie Schritte im Garten. Und zum ersten Mal in ihrem Leben überkam sie ein Gefühl, das sie Furcht nannten, denn sie hatten Gottes Gebot missachtet und wussten nicht, was auf ihre Tat folgen würde. Also versteckten sie sich im Laub des Gartens, als Gott sich ihnen näherte und er sprach: „Adam, wo bist du? Zeige dich!“, Adam fürchtete noch mehr, was geschehen sollte, wenn er Gott belügen würde, als wenn er sich ihm zeigte, also sprach er zwischen den Sträuchern des Gartens hervor: „Herr, wir haben dein Gebot missachtet. Wir aßen vom Baum und erkannten, dass wir nackt sind.“, „Seid ihr so arg von Scham befallen, dass ihr euch meines Blicks entziehen wollt?“. Und Adam antwortete: „Nein, Herr. Unsere Scham ist groß, doch sie rührt von unserem Ungehorsam, nun fürchten wir deinen Blick.“, Gott bat die Menschen erneut hervorzukommen. Alsdann traten sie ins Sonnenlicht, das sie auf den Wiesen einst wärmte, doch inzwischen gleißend war und auf ihrer Haut brannte. „Herr, den Gefährten, den du mir gabst, er hat mich verführt und mich dazu gebracht von der Frucht zu essen, die du mir verboten hast.“, er warf sich ehrfürchtig nieder. „Weshalb habe ich dir die Frau geschaffen, Adam? Auf dass du zum Manne wirst und nicht nur lernst alles Leben zu pflegen, sondern auch die, die dir am nächsten sind, so wie dich selbst. Denn ihr seid eins.“, und Adam hörte Gott von jenem Menschen sprechen unter einem Namen, den er ihm nicht gegeben hatte und auch er selbst wurde von Gott unter einem Namen gerufen, den er nicht kannte.

„Schäme dich ein Verräter zu sein und dich der Schuld zu entziehen, denn du hast sie weder davon abgebracht vom Baum zu essen, noch warst du stark genug selbst zu widerstehen.“, Gott wandte sich nun dem Menschen zu, den er Frau nannte und sprach zu ihr: „Und du, die du seien solltest ein Gefährte dem Manne und eine gute Stimme, die mich in der Vernunft und Liebe vertreten sollte, wenn ich ihn nicht erreichen kann – du warst so schwach?“, die Frau sah nun zum Boden, warf sich ebenfalls nieder und bat um Vergebung. „Die Stimme im Baum ist es gewesen, Herr“, sagte sie, „Sie hat zu uns gesprochen und mich verführt. Verzeih uns, Gott. Doch uns ist nichts geschehen.“, „Ich wusste, dass euch nichts geschehen würde“, sprach Gott, „Aber ich wollte euch vor dem Abgrund bewahren, in den diese Früchte euch stürzen würden und ihr habt mir nicht gehorcht, nun müsst ihr die Folgen dieses Verstoßes tragen.“, „Aber Gott“, sprach die Frau, „Wenn wir nicht hätten essen sollen, weshalb hast du uns den Baum gegeben? Weshalb steht er inmitten des Gartens und sieht so schön aus? Du hast uns belogen, weil du wusstest, dass wir in Versuchung geraten, wenn wir die Wahrheit kennen und doch hast du uns dieser Wahrheit ausgesetzt. Weshalb?“, Gott sah, dass die Frau klug geworden war und sprach: „Ihr könnt meine Wege und Weisen nicht verstehen und doch offenbare ich sie euch. Ihr begreift nicht die Mannigfaltigkeit des Himmels und doch schenkte ich euch die Sterne. Lehne dich nicht gegen mich auf, denn das wird dich in dein Unglück stoßen. Den Baum der Erkenntnis pflanzte ich in diesen Garten und die Neugier für die Dinge, die ich euch schenkte, hat euch verführt.“, „Die Stimme im Baum war es, die diese Neugierde weckte“, sagte Adam und wagte noch immer nicht aufzusehen. „Ich habe auch den Kern des Wissensdurstes in euch gepflanzt, die Versuchung hat ihn sprießen lassen. Ich schuf euch mit dem Drang zum Guten und dem Drang zum Bösen, doch mit der Unwissenheit über diese Dinge, dass ihr sie nicht missbrauchen könnt. Jetzt aber seid ihr damit verflucht.“ Und Gott sprach zu Adam: „Dies wirst du erleiden: Verflucht ist der Ackerboden deinetwegen. Unter Mühsal wirst du von ihm essen alle Tage deines Lebens. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du zurückkehrst zum Ackerboden; von ihm bist du genommen. Denn Staub bist du und zum Staub musst du zurück.“, da benässten die Tränen Adams die Erde und er war davon entsetzt, denn er kannte das Leid noch nicht.

So wandte sich Gott der Frau zu und sprach: „Du wirst leiden unter dem Körper, den ich dir schuf. Viel Mühsal bereite ich dir, sooft du schwanger wirst. Unter Schmerzen gebierst du Kinder. Du hast Verlangen nach deinem Mann; er aber wird dich beherrschen.“, da sah die Frau auf und ward geblendet von dem gleißendem Licht, das sie umgab und es schien sie verbrennen zu wollen. Dennoch sprach sie: „Du strafst mich mit einer großen Ungerechtigkeit, Gott: lässt du mich wirklich leiden unter dem Körper, um den ich dich nicht bat, den du schufst aus der Einsamkeit des Adams heraus? Soll ich, die ihm Gefährte ist, mich kniend vor ihn werfen, weil es dein Wille ist? War es denn nicht auch dein Wille mich zu schaffen aus seiner Rippe, dass ich ein Teil von ihm sei und ihm ebenbürtig? Weshalb strafst du mich so, Gott?“, daraufhin erhob der Herr die Stimme und ein Wind kam auf, der die Blätter von den Bäumen Edens zu reißen drohte: „Du widersetzt dich meinem Gebot und nun widersetzt du dich meiner Strafe?“, der Herr aber erkannte die unumgänglichen Folgen, die die Erkenntnis der Menschen mit sich brachte. Und so sprach er: „Mein Wort ist das Gesetz der Welt. Und mein Wort ist Wahrheit. Verbannt seid ihr aus Eden und fortziehen sollt ihr in die Wüste, auf euren Schultern die Last eurer Taten.“, Gott sah, dass die Frau immer noch aufsah und sich nicht blenden ließ von seinem Licht. „Diese Gnade aber lasse ich euch: Ein Fleisch seid ihr und als solches schicke ich euch fort, um eure Sünde zu büßen. Ihr seid zu Recht nach meinem Ebenbild geschaffen und ihr habt erkannt. Ihr seid euch ebenbürtig, denn ihr seid Teile von mir – dies lasse ich euch. Dennoch müsst ihr den Garten verlassen und Buße tun. Erkennt euer Leid als etwas, das ihr euch selbst verschuldet habt. Hört mein Wort.“


Da verließen Adam und die Frau den Garten Eden und zogen in die Wüste. Sie trugen Röcke aus Fellen, mit denen Gott sie bekleidet hatte. Sie verspürten nun Hitze und Kälte, Hunger und Durst. Aber sie waren nicht allein und sollten deshalb nicht untergehen. Adam sprach zur Frau: „Ich verstehe nicht alles von dem, was Gott uns auf den Weg gegeben hat. Aber ich will lernen, zu verstehen. Du hast dich ihm zugewandt und hast das Gewicht seiner Strafe begriffen. Du hast dich ihm widersetzt und zwar willentlich.“, „Denn ich bin wie er und wie du“, sprach die Frau, „Und ich weiß, dass er mich einst mit diesem Gedanken schuf. So lasse ich mich niemals niederdrücken, zu dem Getier drunten im Staube.“, „Wie das Leben“, sprach Adam, „Das immerfort wieder aufersteht. So will ich dich nennen. Du warst das einzige Wesen im Garten, dem ich keinen Namen gegeben habe.

‚Eva‘ sollst du heißen – wie das Leben.“

verfasst am: 09.01.2024

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